IN DER STILLE IST ES LAUT




Übersicht

2021
Seit 2 Jahren herrscht nun in Deutschland ein absoluter Ausnahmezustand und wir alle müssen unser Möglichstes tun, um die Ausbreitung von dem Corona-Virus irgendwie zu verlangsamen. Für uns bedeutet es zu Hause bleiben, viel zu viel Zeit zum Grübeln und Sorgen machen haben, Abstand zu unseren Mitmenschen halten und zu einem gewissen Teil auch die Kontrolle über unser Leben zu verlieren.

Auch wenn jeder von uns die Corona-Krise gerade ganz individuell erlebt, bedeutet die momentane Situation allgemein einfach nur Stress. Stress durch Veränderung, Stress durch Einsamkeit, Stress durch soziale Distanz, durch Angst, durch Sorgen, durch Unsicherheit und auch Stress durch diesen wahrgenommenen Kontrollverlust. Auch die Angst, dass man nach dieser ganzen Corona-Krise vor dem Nichts steht und seine Existenzgrundlage verloren hat, sorgt momentan bei sehr vielen Menschen - wie auch bei mir - für richtig viel Stress.
Für unseren Körper ist Stress gleichbedeutend mit Gefahr. Dabei ist es egal, ob wir den Stress bewusst oder unterbewusst wahrnehmen. Als Reaktion des Körpers auf diesen Stress, bzw. auf diese Gefahr wird unter anderem ein Regelkreis (HPA-Achse) aktiviert, der die Ausschüttung vom Stresshormon Cortisol steuert. Cortisol hat dann die Aufgabe, ganz viel Energie zur Bekämpfung dieser Gefahr bereitzustellen. Wenn die Gefahr dann vorbei ist, wird es durch eine Feedbackschleife zurückgemeldet. Die Ausschüttung von Cortisol wird gestoppt und unser Körper kehrt zurück in seinen Normalzustand.


Was, wenn wir aber Dauerstress haben, zum Beispiel weil sich so unfassbar viel verändert, wir keine Ahnung haben, wann der ganze Spuk vorbei sein wird, wir uns vielleicht einsam fühlen, Angst haben, viel grübeln und wir immer wieder durch die Medien an das ganze Ausmaß der Coronakrise erinnert werden? Dies führt dazu, dass unserem Gehirn nicht mehr signalisiert wird, wann es aufhören soll Stresshormone zu produzieren, wir deshalb dauerhaft Cortisol produzieren, unser Körper nicht mehr in seinen Normalzustand zurückkehren kann und wir uns dauerhaft in einem Zustand der Anspannung befinden.
Das ist nicht nur für unsere Körper kritisch, sondern auch für unsere psychische Gesundheit. Die Systeme, die für die Stressregulierung zuständig sind, sind zum Teil auch für die Regulation unserer Launen und Emotionen verantwortlich sind. Wenn man gestresst ist, reagiert man leichter über, ist emotional instabiler und neigt insgesamt eher zu schlechter Laune. Daraus kann sich dann auch schnell mal eine Depression oder auch andere psychische Störungen entwickeln.


Laut dem Report 2021 der Deutschen Psychotherapeuten Vereinigung hat sich im Vergleich zu der Zeit vor der COVID-19-Pandemie die psychische Gesundheit und Belastung der Bevölkerung in Deutschland verschlechtert. Anhand einer aktuellen Studie der NAKO ist die Anzahl der TeilnehmerInnen mit depressiven Symptomen von 6,4 % auf 8,8 % gestiegen. Besonders stark ist die psychische Belastung bei Menschen zwischen 20 und 49 Jahren und speziell bei Frauen bis zum Alter von 39 Jahren.
Im Januar 2021 meldeten psychotherapeutische Praxen 40 Prozent mehr Anfragen als im Vorjahreszeitraum. Doch einen Therapieplatz zu bekommen ist sehr schwierig. Die Wartezeit liegt bei mindestens 6 Monate.
Ich warte seit einem Jahr auf einen Therapieplatz. Zu wissen, dass ich Hilfe benötige, jedoch zu Hause sitze und warten muss, macht mich fertig. Die meisten Therapeuten sind so überlastet, dass sie einen nicht einmal mehr auf die Warteliste nehmen.


Diese Arbeit widerspiegelt meine aktuelle Gefühlslage, meine Schwankungen, meine Verzweiflung und Verlorenheit. Die Dunkelheit unterstützt das Gefühl der Ungewissheit, Angst und Orientierungslosigkeit. Das benutzte Blitzlicht setzt mein Körper im Fokus, es entspricht meine Gedanken, die um mich herum schweben und über mich selber schlecht reden, ein Teufelskreis.
Um in den Augen anderer nicht möglicherweise schwach zu wirken, spricht man im Alltag meist nicht von diesen Gedanken.
Mit dieser Arbeit stelle ich mich bewusst meiner Verletzlichkeit vor euch, um meine mentale und körperliche Angst zu überwinden.


Die nackte Haut im Mittelpunkt spiegelt den Kontrast zwischen dem weiblichen Körper und die Gedanken, die einem jagen, wider. Durch die Bewegung im Bild möchte ich den Betrachter mit diesen unzufriedenen, chaotischen Gefühl konfrontieren. Ich lasse dem Betrachter Raum, darauf einzugehen und sich selber in den Bildern wiederzufinden.
„In der Stille ist es laut“ ist eine fotografische Arbeit zur aktuellen Gefühlslage vieler Menschen. Wir sind nicht allein.








